Das lebende Škoda Lexikon

Das lebende Škoda Lexikon

Lukáš Nachtmann ist Archivkoordinator bei Škoda Auto. In seiner Rolle steht er zwar selten im Rampenlicht, ist aber ein ganz wichtiger Mitarbeiter der Marke und hat einige spannende Geschichten zu erzählen.

13. 10. 2025 Lifestyle

Škoda Auto ist einer der ältesten Automobilhersteller der Welt und blickt auf eine unglaublich reiche Geschichte zurück. Das Unternehmen hat die Anfänge des Automobilbaus miterlebt, zwei Weltkriege und mehrere politische Regime überstanden und ist heute ein Global Player im Bereich der modernen Automobiltechnik.

Im Laufe der 130-jährigen Geschichte hat das Unternehmen eine riesige Menge an Materialien angesammelt, die nun in einem professionell geführten Archiv im Herzen des Unternehmens in Mladá Boleslav sorgfältig aufbewahrt werden. Lukáš Nachtmann leitet dieses Archiv und wenn er Besucher durch die faszinierenden Räumlichkeiten führt, wird deutlich, dass er sich hier wie zu Hause fühlt. Schließlich verbringt er mehr Zeit im Archiv als in seinen eigenen vier Wänden.

Perfekte Bedingungen

Genau wie die wertvolle Sammlung von Oldtimern benötigen auch unersetzliche Papierdokumente ideale klimatische Bedingungen. Im Škoda Archiv befinden sich isolierte, hochmoderne Lagerräume, die direkt aus einem James Bond-Film stammen könnten. Es herrscht eine konstante Temperatur von etwa 18 °C und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 % und 60 %. Unter 40 % trocknet Papier aus und reißt, über 60 % vermehren sich Bakterien und Schimmelpilze.

Pořád nacházím nové věci, říká odborný koordinátor archivu

Lukáš Nachtmann studierte Geschichte an der Karlsuniversität in Prag und spezialisierte sich auf die frühneuzeitliche und zeitgenössische tschechische Geschichte. „Als ich mich für meinen weiteren Weg entschied, unterrichtete ich zunächst ein wenig und stieß dann auf eine Stellenanzeige für einen Archivmanager“, sagt Nachtmann. „Ich bewarb mich und wurde genommen. Seit April 1999 bin ich nun hier. Und selbst nach 26 Jahren entdecke ich immer noch Neues.“

Haufenweise Anekdoten

Die Arbeit in einem Archiv mag für manche monoton klingen, aber die Realität könnte nicht unterschiedlicher sein. Zu den Aufgaben gehören die Vorbereitung von Museumsausstellungen, die Bereitstellung von Unterlagen für Vorstandssitzungen, die Organisation von Tagen der offenen Tür und die Suche nach Dokumenten für verschiedene öffentliche Veranstaltungen, nicht nur in der Tschechischen Republik. Die Abteilung arbeitet auch eng mit der Restaurierungswerkstatt des Museums zusammen, kommuniziert mit Oldtimer-Besitzern und übernimmt viele weitere Aufgaben.

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„Oldtimer-Besitzer machen einen großen Teil unserer Anfragen aus. Sie benötigen Hilfe bei der Restaurierung, suchen nach fahrzeugspezifischen Details oder haben Probleme mit der Zulassung und benötigen eine offizielle Bescheinigung für die technischen Prüfstellen“, erklärt Nachtmann. Zu diesen Dokumenten gehören Angaben wie das Herstellungsdatum des Fahrzeugs, der Herstellungsort und sogar der ursprüngliche Radtyp. Das Archiv unterstützt die Oldtimer-Community aktiv und verweist sie oft an geeignete Quellen für Ersatzteile.

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Die Anfragen kommen aus aller Welt. Eine besonders aktive Gruppe ist der Škoda Tatra Club in Australien. Die Fragen beschränken sich jedoch nicht nur auf Automobile, sondern umfassen oft auch allgemeine historische oder verwandte Themen. „Einmal wurden wir von einem Mann namens Wolfgang Amadeo Klement aus Brasilien kontaktiert, der sagte, seine Vorfahren seien aus Böhmen ausgewandert. Er war neugierig, ob er vielleicht mit Václav Klement verwandt sei. Leider mussten wir ihn enttäuschen. Es gab keine familiäre Verbindung“, erinnert sich Nachtmann.

Sofort fällt ihm ein weiteres Beispiel ein: „Kürzlich hatten wir Besuch von einem Forscher, der sich für die Kohlekrise während des Ersten Weltkriegs und den Umgang des Unternehmens mit der Brennstoffknappheit interessierte.“

„Die meisten Forscher suchen nach Informationen zu ihren Fahrzeugen, und in der Regel können wir ihnen online weiterhelfen. Diejenigen, die persönlich vorbeikommen, benötigen tiefergehende Einblicke. Das sind beispielsweise Autoren von Büchern. Hier können sie Materialien im Detail untersuchen und Fakten aufdecken, die zuvor vielleicht nicht bekannt waren oder nicht genau datiert werden konnten“, sagt Nachtmann. „Wir erhalten auch eine Reihe von Anfragen aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland, wo ich sogar bei der Vorbereitung mehrerer Ausstellungen geholfen habe. In Dänemark pflegen wir beispielsweise eine enge Beziehung zu einem privaten Škoda Museum.“

Außergewöhnliche Geschichten

Ein besonders spannender Teil von Nachtmanns Arbeit ist die Vortragsreihe „Außergewöhnliche Geschichten“. Diese Vorträge bieten der Öffentlichkeit nicht nur Einblicke in die Geschichte von Škoda Auto und seine Automodelle, sondern auch in die Geschichte von Mladá Boleslav und die Verkehrsverbindungen mit den umliegenden Gebieten. Oft werden auch Meilensteine und Jubiläen thematisier. Im vergangenen Jahr wurde das Jubiläum des Felicia gefeiert. Zahlreiche Personen, die an der Entwicklung mitgewirkt haben, nahmen an der Veranstaltung teil. Die diesjährigen Vorträge konzentrieren sich auf das 130-jährige Jubiläum des Unternehmens.

Neben der Vortragsreihe können Besucher thematische Ausstellungen im Škoda Museum besuchen. Im Jahr 2025 gehören dazu nicht nur die 130 Jahre der Marke Škoda, sondern auch das 50-jährige Jubiläum des erfolgreichen Rennwagens Škoda 130 RS. Das Archiv spielt bei diesen temporären Ausstellungen eine wichtige Rolle, von der ersten Konzeption und Inhaltsplanung bis zur Vorbereitung der Exponate.

Ein wertvoller Schatz

Das in den 1950er Jahren gegründete Archiv enthält Materialien, die die Entwicklung des Unternehmens dokumentieren, darunter Gründungsverträge, interne Unterlagen (Vorstandssitzungen, Betriebsratssitzungen usw.) sowie Fotos, Plakate und technische Zeichnungen. Das Archiv steht sowohl der Öffentlichkeit als auch professionellen Forschern im sogenannten Studienraum offen. Alle Materialien sind zugänglich, mit Ausnahme derjenigen, die unbearbeitet, vertraulich oder geheim sind.

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Ein Archiv für die Zukunft

Für einen Automobilhersteller mit einer so reichen Vergangenheit dient ein Archiv nicht nur der Bewahrung der Geschichte, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung auf die Zukunft. „Wenn jemand in 100 Jahren etwas braucht, sollte er es hier finden können“, sagt Nachtmann. Die Digitalisierung ist derzeit ein wichtiger Schwerpunkt und das Team arbeitet intensiv daran. „Einerseits scannen wir digitalisierte Dokumente mit Metadaten ein und laden sie in die Datenbank hoch. Andererseits bauen wir auch ein digitales Archiv für digital erstellte Aufzeichnungen auf“, fügt er hinzu.

Dennoch betont Nachtmann, dass physische Kopien weiterhin sehr wichtig sind. „Wir wissen, wie ein tausend Jahre altes Stück Papier aussieht. Wir wissen, dass es überdauert und die Schrift lesbar bleibt. Aber wir haben keine so alten Daten. Wir wissen nicht, wie sich die Zeit auf die heutigen Speichermedien auswirken wird. Werden die Formate, die wir heute verwenden, in 130 Jahren noch existieren? Und wenn eine Migration von Hardware oder Software stattfindet, werden diese Dokumente dann noch die gleiche Beweiskraft und Rechtsgültigkeit haben?“ Fragen, die aktuell nicht zu beantworten sind und die Notwendigkeit eines physischen Archivs noch einmal unterstreichen.