Fenster und ihre Geschichte

Fenster und ihre Geschichte

Zum 130-jährigen Bestehen von Škoda Auto zeigen wir die wichtigsten Momente der Unternehmensgeschichte. Dieses Mal: Die Geschichte von Fenstern, die fast so alt sind wie das Unternehmen selbst.

8. 4. 2025 Oldtimer

Das Archiv des Škoda Museums beherbergt Original-Fensterscheiben aus dem Bürogebäude von Laurin & Klement, das seit 1911 in Mladá Boleslav steht. Entsprechend lang ist die Geschichte und die damit verbundenen Anekdoten rund um diese Glasscheiben.

Jugendstil in Mladá Boleslav

Im Jahr 1910 war Laurin & Klement der größte Automobilhersteller in Österreich-Ungarn und beschäftigte fast tausend Mitarbeitende. Das steigende Produktionsvolumen und die Erweiterung der Modellpalette führten zum Ausbau des gesamten Komplexes in Mladá Boleslav, zu dem auch ein neues Hauptverwaltungsgebäude hinzukommen sollte.

„Durch die ständige Erweiterung des Werkes reichen unsere derzeitigen Verwaltungsräume nicht mehr aus, so dass wir gezwungen sind, ein neues Gebäude für diesen Zweck zu errichten“, heißt es im Antrag auf Baugenehmigung, der im März 1911 beim Königlichen Stadtrat von Mladá Boleslav eingereicht wurde. Die handschriftliche Baugenehmigung wurde der Firma Laurin & Klement kurz darauf erteilt, unterzeichnet vom damaligen Bürgermeister Bohumil Matoušek.

Pläne für den Bau eines neuen Gebäudes aus dem Jahr 1911.

 Damals symbolisierte das neue Bürogebäude das Wachstum und die Entwicklung der Marke Laurin & Klement. Škoda Auto setzt diesen Trend seit über 100 Jahren fort und baut seinen Betrieb weiter aus. Ein deutlicher Indikator für diesen Fortschritt ist die Größe des Hauptwerks. Škoda hat nicht nur die Fläche des Werks in Mladá Boleslav vervielfacht, sondern investiert auch in die Erweiterung der Produktionskapazitäten in den anderen tschechischen Werken in Kvasiny und Vrchlabí. Škoda Autos mit dem ikonischen geflügelten Pfeil-Logo werden auch in vielen anderen Ländern hergestellt.

Dank gut erhaltener Baupläne gibt es noch einen detaillierten Überblick über die Innenausstattung des Gebäudes. Im Untergeschoss befanden sich ein Heizungsraum und Lagerräume. Im Erdgeschoss befanden sich ein Buchhaltungsbüro und eine Schreibstube. Im ersten Stock waren die Büros für Export, Werbung, Korrespondenz und den Generaldirektor untergebracht, m zweiten Stock ein Sitzungssaal, Privaträume und eine Küche.

Die wunderschönen Fenster mit dem Firmenlogo von L&K verkörpern den Jugendstil, der den Charme und die Eleganz der Belle Époque widerspiegelt – einer Ära des raschen technischen Fortschritts und der Verbesserung des Lebensstandards zwischen 1890 und 1914. Die Lage des Verwaltungsgebäudes innerhalb des Fabrikkomplexes ermöglichte eine direkte Interaktion zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten und erleichterte den persönlichen Kontakt zwischen Management und Fabrikarbeitern.

 

Symbol für Qualität und Stabilität

Außerhalb des Gebäudes veränderte sich die Welt indes rapide. Nach dem Ersten Weltkrieg brach die österreichisch-ungarische Monarchie zusammen, und in den Klassenzimmern, in denen einst die Porträts des Kaisers hingen, war nun Präsident T. G. Masaryk zu sehen – der „Befreier“ der neu gegründeten Tschechoslowakei, die sich wirtschaftlich in Europa etablieren musste. Im Jahr 1924 brach in dem Gebäude ein Brand aus, der durch die Entzündung von in Öl oder Benzin getränkter Putzwolle verursacht wurde. Ein Jahr später, 1925, fusionierte Laurin & Klement mit dem Pilsener Maschinenbaukonglomerat Škoda. Diese Fusion erleichterte nicht nur die Reparaturen nach dem Brand, sondern brachte auch eine Investition von 220 Millionen tschechoslowakischen Kronen mit sich, die eine weitere Expansion ermöglichte.

Am 9. Mai 1945, nur einen Tag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, wurde Mladá Boleslav von der sowjetischen Roten Armee bombardiert, um den Rückzug der deutschen Truppen zu verhindern, die am Vortag kapituliert hatten. Zwölf Fliegerbomben trafen das fast menschenleere Gelände der Škoda Werke und richteten großen Schaden an. Nach dem Krieg wurde das Unternehmen verstaatlicht, und im Jahr 1948 übernahm die kommunistische Regierung die volle Kontrolle. In den nächsten 40 Jahren sollte die Wirtschaft der Tschechoslowakei von einem zentral geplanten und kontrollierten sozialistischen System beherrscht werden.

Nicht nur die Welt vor den Fenstern veränderte sich, auch das Gebäude selbst wandelte sich und spiegelte das politische Klima des Landes wider. Jugendstildetails wurden durch Propagandasprüche ersetzt – ein untrennbarer Bestandteil des Lebens in einem kommunistischen Staat. Ein Schild mit der Aufschrift „AZNP“ (Automobilové závody, národní podnik), dem Firmennamen im Sozialismus, prangte an der Ecke des Gebäudes.

Das Verwaltungsgebäude im Jahr 1959, mit den ursprünglichen Fenstern.

Einer der wichtigsten Momente in der Tschechoslowakei war der August 1968, als die Truppen des Warschauer Paktes unter Führung der Sowjetunion in das Land einmarschierten, um die Liberalisierungsbemühungen zu unterdrücken. Trotz all dieser Ereignisse blieben die Fenster an ihrem Platz. 1989 fiel das kommunistische Regime, was das Ende der Einparteienherrschaft bedeutete –der Beginn eines neuen Kapitels, audh für die Fenster. Sie wurden schließlich zu wertvollen historischen Artefakten.

M-737_V1_26-05-1984-kopie_d5775ca4Das Verwaltungsgebäude im Jahr 1984, mit den ursprünglichen Fenstern.

1991 wurde Škoda Teil des Volkswagen Konzerns, und es folgte eine Zeit der rasanten Entwicklung und Professionalisierung. Das Werk in Mladá Boleslav wuchs weiter, und die Originalfenster wurden Zeugen dieser Zeit des Wandels, bevor sie schließlich Mitte der 1990er Jahre bei einer umfassenden Renovierung ersetzt wurden. Heute werden sie im Archiv von Škoda Auto aufbewahrt und erinnern an den langen und manchmal herausfordernden Weg des Unternehmens.

Das Verwaltungsgebäude diente bis 1974 als Hauptsitz des Unternehmens. Heute ist es eine der ersten Anlaufstellen für neue Mitarbeiter, die hier ihren Firmenausweis in Form einer Mitarbeiter-Zugangskarte erhalten. Es befindet sich an der Kreuzung der Václav-Klement-Allee und der Laurinova-Straße, einem Ort, den die Einheimischen heute einfach als „U Bičíků“ („An der Bičík-Kreuzung“) bezeichnen.

Das Gebäude in den Jahren 2025 und 1945

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