90 Jahre und kein bisschen langsam

Lothar Thomas zählt zu den erfolgreichsten Motorsportlern der früheren DDR. Die Karriere des zweimaligen Tourenwagen-Meisters ist eng mit Škoda verbunden. Noch heute tritt der mittlerweile 90-Jährige gerne aufs Gaspedal seines Škoda 130 RS – wie jüngst bei der Sachsenring Classic.
24. 6. 2025 Lifestyle MotorsportThomas, geboren am 15. Juli 1935 in Dresden, zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des ostdeutschen Motorsports. Seine Karriere beginnt er 1958 auf einem MZ RT 125-Motorrad. Doch bereits 1960 wechselt er auf vier Räder. In der Formel Junior der DDR tritt er mit einem selbstgebauten Fahrzeug auf Wartburg-Basis an.




Neben der Karriere als Rennfahrer macht der bis heute in Radeburg lebende Thomas Anfang der 1960er-Jahre seinen Kfz-Meister und eröffnete 1964 dort auch seine eigene Škoda Werkstatt. Über die Marke aus Mlada Boleslav findet der ruhige, sympathische Sachse dann seine eigentliche rennsportliche Bestimmung: die Tourenwagen. Ab 1972 mischt er die Szene auf – zunächst im Škoda 1000 MB und später im Škoda S100.
Erster DDR-Meistertitel 1974
Als die Tourenwagenklasse 1974 zu einer offiziellen Meisterschaft aufgewertet wird, ist Thomas zur Stelle: Souverän fährt er im S100 zum ersten DDR-Meistertitel. Zwei Jahre später wiederholt er diesen Erfolg und beendet die Saison als DDR-Meister und bester DDR-Fahrer im „Pokal der Freundschaft“, einer internationalen Meisterschaft für Fahrer aus den sozialistischen Staaten.
Thomas ist mit seinem Škoda zu dieser Zeit noch immer ein Exot. Vor allem Wartburg und Zastava hatten die Szene über Jahre dominiert, doch nun drängt Škoda immer stärker ins Rampenlicht. Ab 1976 sind tschechische Piloten auf dem neuen Škoda 130 RS am Start und feiern Sieg um Sieg. Thomas ist fasziniert und fasst einen Entschluss: „So einen muss ich auch haben“, sagt er sich. Gesagt, getan.
Der lange Weg zum 130 RS
Über einen Bekannten bei Škoda Motorsport erfährt er, dass das Gerippe eines verunfallten 130 RS auf einem Schrottplatz liegt. Thomas ist sofort klar, dass das die Basis für seinen neuen Rennwagen ist. Der Transport aus der Tschechoslowakei in die DDR verläuft nicht unproblematisch, aber über Umwege und mit viel Überredungskunst bringt Thomas das Chassis in seine Werkstatt. Es folgt monatelange Arbeit, um den 130 RS als Renntourenwagen wieder neu aufzubauen. „Es war schwierig, die Teile zu bekommen“, erinnert sich der ehrgeizige Schrauber. „50- bis 60-mal bin ich zu Škoda nach Mlada Boleslav gefahren.“




Dabei ist nicht nur die Herausforderung, die Teile ausfindig zu machen, sondern auch deren Bezahlung. „Viel Geld hatte ich nicht und so waren Tauschgeschäfte an der Tagesordnung“, sagt Thomas. Bei seinen Reisen in die Tschechoslowakei hat er Küchenmaschinen, Radios oder andere Elektrogeräte dabei. Dinge, die im Nachbarland zu der Zeit rar sind, bringen ihm die bei Škoda ausrangierten Teile ein.
Eigene Felgen haben Kultstatus
Doch Thomas fertigt nicht nur sein Auto selbst. In den 1970er-Jahren beginnt der Radeburger auch mit der Produktion von dreiteiligen Aluminiumfelgen, die unter dem Namen „LTR-Felgen“ bekannt werden. Diese Felgen sind besonders bei Motorsportlern beliebt, da sie durch ihre modulare Bauweise eine individuelle Anpassung ermöglichen. Selbst Jahrzehnte später sind sie noch im Einsatz und werden von Oldtimer-Enthusiasten geschätzt.
Seine aktive Karriere beendet Thomas im Jahr 1978 nicht ganz freiwillig. „Der Staat änderte das Reglement und die neue Homologation bremste mich aus“, sagt Thomas noch heute mit Ärger in der Stimme. „Ich habe den 130 RS aufgebockt und erst nach der Wende wieder rausgeholt.“ Heute bereichern der 90-Jährige und sein 130 RS von 1977 jede Veranstaltung. Zwar startet Thomas nur noch sporadisch bei historischen Rennen, aber dann weiß er immer noch, wo das Gaspedal ist.
Familie mit Benzin im Blut
Mit seiner Frau Barbara, die ihn in seiner Karriere fast immer an die Rennstrecken begleitete, feierte Lothar Thomas 2012 goldene Hochzeit. Und sein Sohn Maik setzt die Motorsporttradition der Familie fort. Der heute 60-Jährige fährt im ADAC Historic Cup Ost einen Škoda Favorit. Warum gerade ein Favorit? „Ich mag das Modell und es gab noch keinen im Starterfeld“, sagt Maik Thomas mit einem Lächeln. Ein typischer Thomas. Doch damit nicht genug: Thomas‘ Tochter Sybille führt seit 2008 die 1964 gegründete Werkstatt als Autohaus Thomas Sportwagen GmbH weiter.
Für Škoda findet Lothar Thomas zum Abschluss nur lobende Worte: „Das ist seit 130 Jahren eine erfolgreiche Marke und wir sind nach wie vor gut verbunden. Ich wünsche ihr weiterhin viel Erfolg und möchte mich herzlich bedanken für die Einladung zur Sachsenring Classic.“ Sagt es, steigt in seinen 130 RS, streift den Helm über und startet den Motor. Die letzte schnelle Runde ist Lothar Thomas noch lange nicht gefahren.